Undine Goes

Undine Geht

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Ingeborg Bachmann


Ihr Menschen! Ihr Ungeheuer!

Ihr Ungeheuer mit Namen Hans! Mit diesem Namen, den ich nie vergessen kann. 

Immer wenn ich durch die Lichtung kam und die Zweige sich öffneten, wenn die Ruten mir das Wasser von den Armen schlugen, die Blätter mir die Tropfen von den Haaren leckten, traf ich auf einen, der Hans hieß. 

Ja, diese Logik habe ich gelernt, daß einer Hans heißen muß, daß ihr alle so heißt, einer wie der andere, aber doch nur einer. Immer einer nur ist es, der diesen Namen trägt, den ich nicht vergessen kann, und wenn ich euch auch alle vergesse, ganz und gar vergesse, wie ich euch ganz geliebt habe. Und wenn eure Küsse und euer Samen von den vielen großen Wassern — Regen, Flüssen, Meeren — längst abgewaschen und fortgeschwemmt sind, dann ist doch der Name noch da, der sich fortpflanzt unter Wasser, weil ich nicht aufhören kann, ihn zu rufen, Hans, Hans, …

Ihr Monstren mit den festen und unruhigen Händen, mit den kurzen blassen Nägeln, den zerschürften Nägeln mit schwarzen Rändern, den weißen Manschetten um die Handgelenke, den ausgefransten Pullovern, den uniformen grauen Anzügen, den groben Lederjacken und den losen Sommerhemden! Aber laßt mich genau sein, ihr Ungeheuer, und euch jetzt einmal verächtlich machen, denn ich werde nicht wiederkommen, euren Winken nicht mehr folgen, keiner Einladung zu einem Glas Wein, zu einer Reise, zu einem Theaterbesuch. Ich werde nie wiederkommen, nie wieder Ja sagen und Du und Ja. All diese Worte wird es nicht mehr geben, und ich sage euch vielleicht, warum. Denn ihr kennt doch die Fragen, und sie beginnen alle mit »Warum?«. Es gibt keine Fragen in meinem Leben. Ich liebe das Wasser, seine dichte Durchsichtigkeit, das Grün im Wasser und die sprachlosen Geschöpfe (und so sprachlos bin auch ich bald!), mein Haar unter ihnen, in ihm, dem gerechten Wasser, dem gleichgültigen Spiegel, der es mir verbietet, euch anders zu sehen. Die nasse Grenze zwischen mir und mir…

Ich habe keine Kinder von euch, weil ich keine Fragen gekannt habe, keine Forderung, keine Vorsicht, Absicht, keine Zukunft und nicht wußte, wie man Platz nimmt in einem anderen Leben. Ich habe keinen Unterhalt gebraucht, keine Beteuerung und Versicherung, nur Luft, Nachtluft, Küstenluft, Grenzluft, um immer wieder Atem holen zu können für neue Worte, neue Küsse, für ein unaufhörliches Geständnis: Ja. Ja. Wenn das Geständnis abgelegt war, war ich verurteilt zu lieben; wenn ich eines Tages freikam aus der Liebe, mußte ich zurück ins Wasser gehen, in dieses Element, in dem niemand sich ein Nest baut, sich ein Dach aufzieht über Balken, sich bedeckt mit einer Plane. Nirgendwo sein, nirgendwo bleiben. Tauchen, ruhen, sich ohne Aufwand von Kraft bewegen — und eines Tages sich besinnen, wieder auftauchen, durch eine Lichtung gehen, ihn sehen und »Hans« sagen. Mit dem Anfang beginnen.

»Guten Abend.«
»Guten Abend.«
»Wie weit ist es zu dir?«
»Weit ist es, weit.«
»Und weit ist es zu mir.«

Undine Goes

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Ailie Margot


You humans! You monsters!

You monsters named Hans! To those of you with this name which I cannot forget.

When I come through the clearing and the branches open, when the river reeds whisk the water from my arms, the leaves licking the droplets from my hair, I meet someone whose name is Hans. 

Yes, I learned this logic which demands that one of them be named Hans, which you are called, each one of you just like the other, but actually only one. It’s always only one who bears this name which I cannot forget completely and totally as I have loved you. And when your kisses and seed have been long ago washed off and swept away by the many great waters–rains, rivers, oceans– the name is still here under water, breeding, because I cannot cease calling it out, Hans, Hans…

You monsters with the steady and easy hands, with the short, sallow nails, dirty with black at their rims, the white shirt cuffs around the wrists, the frayed sweatshirts, the uniformed grey suits, the coarse leather jackets and the oversized T-shirts! Let me be clear, you monsters, and say it just once, because I will not return, will no longer follow your beckoning, an invitation to a glass of wine, to a vacation, to a visit to the theater. I will never come back, never again say Yes and You and Yes. These words will never more be given, and I tell you perhaps why. Because you all know the questions, and they all begin with “why?” There are no questions in my life. I love the water, its thick transparency, its greeness, and its speechless creatures (and just as speechless I will also be!), my hair under them, in it, the righteous water, the indifferent looking glass that forbids me to see you differently. The wet boundary between me and me… 

I have no children from you, because I have known no questions, demands, precautions, no future, and I have never known how to take up space in another life. I have no livelihood, no assurance, no security, only air, night air, coastal air, air from borderlands so that I may always be able to draw breath for new words, new kisses, for a constant confession: Yes. Yes. Were the confession to be discarded, I would be condemned to love; were I to come free for a day out of love, I would have to go back in the water, in this element in which no one builds themselves a nest, spins themselves a roof out of timber, decks themselves out with a plan. Nowhere to be. Nowhere to remain. To submerge, to recline, to move without the deference to power– and one day to change direction, to re-emerge, to go through a clearing, to see “him” and say “Hans.” To begin with the beginning: 

“Good evening.”
“Good evening.” 
“How far is it to you?”
“Far it is, far.” 
“And far is it to me.”